Entzündung und Karzinogenese

Eine Verbindung zwischen chronischen Entzündungen und Krebs wurde bereits im 19. Jahrhundert durch den bekannten Pathologen Rudolf Virchow beobachtet: In den meisten, wenn nicht sogar in allen Pathologie-Präparaten von Krebsgewebe kann man Zeichen von Entzündung und Einwanderung von Immunzellen beobachten. Auch epidemiologische Untersuchungen belegen eine Verbindung zwischen chronischen Entzündungserkrankungen und Krebs. Dennoch hat dieses Forschungsfeld erst in jüngster Zeit wieder Beachtung gewonnen.

Entzündung in Zusammenhang mit Krebs ist ein zweiseitiges Schwert: Einerseits kann sie ein Zeichen der Immunabwehr als Reaktion gegen Krebs darstellen, womit sie vorteilhaft wäre. Die Theorie der sogenannten Immunüberwachung geht davon aus, dass das Immunsystem des Körpers Krebsentstehung in zahllosen Fällen schon im Frühstadium verhindert, indem es entartete Zellen aufspürt. Jedoch kann Entzündung auch das Tumorwachstum fördern. Bei einer leichten und anhaltenden Entzündung versucht der Körper immer wieder Gewebe zu reparieren und senkt dabei die Genauigkeit der Zellreperaturmechanismen. Vermutlich manipulieren Krebszellen auch gezielt das Immunsystem, um eine dem Tumor zuträgliche Mikroumgebung zu erschaffen.

In großen internationalen Studien konnte gezeigt werden, dass chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) ist. Die Krebsentstehung ist dabei ein schrittweiser Prozess. Unsere Forschungsgruppe versucht molekulare Mechanismen und Signalwege der chronischen Pankreatitis zu identifizieren, um Krebs zu verhindern oder zumindest eine Behandlung in Frühstadien zu ermöglichen. Diese Forschung vereint Methoden aus den Gebieten der Chirurgie, Pathologie und Immunologie.


Tumor-Stroma-Interaktionen/ Tumor Mikroumgebung

Die Karzinogenese ist ein mehrstufiger Prozess, der durch die Anhäufung von somatischen Mutationen in einer bestimmten Zelle gekennzeichnet ist, welche daraufhin ihre Eigenschaften verändert. Der Erwerb mehrerer solcher Änderungen hat möglicherweise die Manifestierung eines bösartigen Phänotyps zur Folge. Diese Veränderung betreffen meistens die Expression bestimmter Gene, sowohl qualitativ oder quantitativ oder auch beides und bieten der Zelle unter anderem die Möglichkeit in benachbarte Gewebe zu infiltrieren.

Die Untersuchung der isolierten Krebszelle, wie in den Bedingungen einer in vitro Kultur, bietet Informationen bezüglich der Pathogenese von Krebs. Aber das genügt heutzutage nicht. Denn häufig beobachtet man, dass die Rate der Zellproliferation in vitro nicht unbedingt dem Tumorwachstum in vivo entspricht. Während der Tumorinvasion sind Fibroblasten an der Degradation der extrazellulären Matrix durch die Absonderung von Proteasen und deren Aktivatoren, welche die Matrix abbauen, beteiligt. Faktoren wie der ‚scatter factor / hepatocyte growth factor‘ ebenso wie Interaktionen zwischen neoplastischen Zellen und der extrazellulären Matrix können sowohl bei der Krebszellmigration als auch -proliferation eine Rolle spielen. Die extrazelluläre Matrix kann überdies als Sammelbecken für Wachstumsfaktoren dienen.

Das Verständnis des Zusammenspiels von Tumorstroma und Krebszellen stellt ein neues und sehr vielversprechendes Gebiet in der Krebsforschung dar. Darüber hinaus hat die Kenntnis dieser Veränderungen enorme Konsequenzen für unser Verständnis der Tumorentwicklung und damit Auswirkungen auf zukünftige Diagnose, Prognose und Therapie dieser Erkrankung.


Perineurale Invasion

Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung des Pankreas-Karzinoms liegen in mehr als 85% aller Fälle eine Invasion in das umliegende Gewebe und in die perineuralen Strukturen innerhalb und außerhalb des Pankreas vor. Neben der systematischen Streuung ist diese perineurale Invasion für die schlechte Prognose des Pankreaskarzinoms verantwortlich - Patienten ohne perineurale Invasion haben eine deutlich höhere Überlebenserwartung. Die perineurale Streuung ist eine typische Eigenart des duktalen Adenokarzinom des Pankreas und verursacht wohl auch das charakteristische Schmerzsyndrom unter dem die Mehrheit der Patienten mit starken, typischerweise dumpfen und konstanten Schmerzen leiden.

Die Infiltration von Tumorzellen in den retroperitonealen Nervenplexus schließt sehr oft eine kurative Resektion aus und ist auch ein Hauptgrund für ein späteres Lokalrezidiv nach einer Resektion. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze zur Affinität zwischen den Pankreaskrebszellen und den perineuralen Zellen, unter anderen die These des geringsten Widerstands: Sie sieht in der mechanischen Struktur von Perineurium und Krebszellen innerhalb des dichten Mikroumfeld des Tumors die Schwachstelle und somit das bestmögliche Ausbreitungsumfeld.

Eine andere These begreift das invasive Wachstum von den Gefäßen und lymphatischen Gewebeverbands des perineuralen Feldes ausgehend. Diese These wird auch von der Vermutung unterstützt, dass hypoxische Krebszellen dazu neigen, sich in sauerstoffreiche Umgebungen zu bewegen.

Desweiteren scheint ein gewisser neurotrophism und also auch eine potentielle chemische Affinität von Krebszellen durch verschiedene von neuralen oder perineuralen Zellen freigesetzte biologische Faktoren vorhanden zu sein. In unserem Projekten wollen wir die pathobiologische Grundlage der perineuralen Invasion beim Pankreas-Karzinom verstehen, die sehr bedeutsam für die chirurgische Intervention und onkologische Therapie ist.

  • Esposito I, Kleeff J, Bergmann F, et al. Most Pancreatic Cancer Resections are R1 Resections. Ann Surg Oncol 2008.
  • Abiatari I, Kleeff J, Li J, Felix K, Büchler MW, Friess H. Hsulf-1 regulates Growth and Invasion of Pancreatic Cancer Cells. J. Clin. Pathol. 2006; 59: 1052-1058.
  • Abiatari I, Gillen S, DeOliveira T, Klose T, Bo K, Giese NA, Friess H. Kleeff J. The microtubule-associated protein MAPRE2 is involved in perineural invasion of pancreatic cancer cells. Int. J. Oncol. 2009; 35: 1111-1116.
  • Ceyhan GO, Giese NA, Erkan M, et al. The neurotrophic factor artemin promotes pancreatic cancer invasion. Ann Surg 2006;244:274-81.

Pankreatische Neuropathie und Schmerz

PI: Ceyhan, Demir, Kehl



Patienten mit Chronischer Pankreatitis (CP) und Pankreaskarzinom (PK) leiden typischerweise unter starken Bauchschmerzen. Auch wenn eine Operation derzeit die beste Behandlungsmöglichkeit ist, können die Schmerzen auch nach einer Operation wiederkehren, in vielen Fällen ist eine Operation überhaupt nicht möglich. Neueren Forschungsansätzen zufolge scheinen Veränderungen der nervalen Versorgung des Pankreas eine wichtige Rolle zu spielen bei der Entstehung der charakteristischen Schmerzen.

Bei vielen Patienten mit CP und PK weisen histologische Untersuchungen auf eine Veränderung der morphologischen Zusammensetzung des intrapankreatischen Nervengeflechts hin. Bei der CP ist eine Zunahme und Vergrößerung der intrapankreatischen Nerven zu beobachten. Zusammen mit dieser höheren neuralen Dichte und Hypertrophie geht auch eine Veränderung der Ultrastruktur einher: Die Nerven sind von verschiedenen Entzündungszellen umgeben, die in die Nervenstrukturen infiltrieren, dadurch das Perineurium schädigen und so die charakteristische „pankreatische Neuritis“ verursachen. Die gleichen Symptome und Abläufe innerhalb des nervalen Pankreasgewebe lassen sich auch beim Pankreaskarzinom beobachten, nur dass hier die Krebszellen in die Nerven infiltrieren und das Perineurium zerstören.

Unsere Forschungsgruppe konzentriert sich auf zwei Forschungsschwerpunkte: Zum einen auf die Etablierung einer fundierten Charakterisierung der Pankreatischen Neuropathie und zum anderen auf die Erforschung und Erklärung der Pathomechanismen bei CP und PK. Zu diesem Zweck werden anhand einiger selbst entwickelter und etablierter in-vitro- und in-vivo-Modelle verschieden Forschungsprojekte durchgeführt. Schließlich sollen diese präklinischen Forschungsergebnisse zur Entwicklung einer neuen wirksamen Behandlung des neuropathischen Schmerzes führen und zu einer möglichen Intervention zur Begrenzung der neuralen Invasion.

  • Ceyhan GO, Bergmann F, Kadihasanoglu M, Altintas B, Demir IE, Hinz U, Müller MW, Giese T, Büchler MW, Giese NA, Friess H. Pancreatic neuropathy and neuropathic pain – a comprehensive pathomorphological study in 546 cases. Gastroenterology 2008, Sep 25. [Epub ahead of print]
  • Ceyhan GO, Bergmann F, Kadihasanoglu M, Erkan M, Park W, Hinz U, Müller MW, Giese T, Büchler MW, Giese NA, Friess H. The neurotrophic factor artemin influences the extent of neural damage and growth in chronic pancreatitis. Gut 2007; Apr;56(4):534-44.
  • Ceyhan GO, Demir IE, Rauch U, Bergmann F, Müller MW, Büchler MW, Friess H, Schäfer KH. Pancreatic neuropathy results in "neural remodeling" and altered pancreatic innervation in chronic pancreatitis and pancreatic cancer. Am J Gastroenterol. 2009 Oct;104(10):2555-65.
  • Demir IE, Ceyhan GO, Rauch U, Altintas B, Klotz M, Müller MW, Büchler MW, Friess H, Schäfer KH. The microenvironment in chronic pancreatitis and pancreatic cancer induces neuronal plasticity. Neurogastroenterol Motil. 2009 Nov 12. [Epub ahead of print]
  • Ceyhan GO, Schäfer KH, Kerscher AG, Rauch U, Demir IE, Kadihasanoglu M, Böhm C, Müller MW, Büchler MW, Giese NA, Erkan M, Friess H. Nerve growth factor and Artemin are paracrine mediators of pancreatic neuropathy in pancreatic adenocarcinoma. Ann Surg 2010, in press.

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